Soll der Pflegegrad 1 abgeschafft werden? In der Debatte um mögliche Einsparpotenziale beschäftigt sich die Bundesregierung Medienberichten zufolge scheinbar auch mit dieser Frage. Während Politiker:innen womöglich über das Für und Wider in ihrer gewohnten Leichtigkeit diskutieren, sind Pflegebedürftige und an der Pflege beteiligte Menschen tief verunsichert. Für viele von ihnen spielt der Pflegegrad 1 eine große Rolle im Alltag. Doch wenn der Pflegegrad 1 tatsächlich abgeschafft wird, welche Folgen hätte das? Lass uns das Szenario einmal durchspielen.

Warum plötzlich die Debatte um Pflegegrad 1?

Blicken wir zurück: Im Jahr 2017 wurden die Pflegestufen in die Pflegegrade umgemünzt, aber nicht einfach so: dahinter stand das Konzept, die Leistungen der Pflegeversicherung gerechter zu verteilen, sodass etwa auch Menschen mit psychischen oder kognitiven Beeinträchtigungen mehr davon profitieren.

Die Maßnahme hatte ein wichtiges Ziel im Blick: Auch Menschen mit kleinerem Pflegebedarf mit der richtigen Unterstützung zur Selbstständigkeit zu verhelfen – so sollten die Betroffenen möglichst lange im gewohnten Umfeld verbleiben. Das hat aus Sicht vieler Expert:innen geklappt. Diesem Erfolgskurs könnte jedoch ein jähes Ende drohen, oder doch nicht?

Fakt ist, dass in der Union niemand offen darüber spricht, den Pflegegrad 1 zu streichen. Stattdessen wird die Öffentlichkeit mit den Stichwörtern „keine Tabus“, „keine Denkverbote“ und „Neuausrichtung“ zurückgelassen. Warum es gerade jetzt zu der Debatte kommt, scheint klar: die Finanzierung der Pflegeversicherung und die ambulante sowie häusliche Pflege stehen auf dem Prüfstand – sie sollen gesichert und gestärkt werden. Konkrete Ergebnisse soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe mit der Bezeichnung "Zukunftspakt Pflege" bis zum Jahresende erarbeiten – ist die Abschaffung vom Pflegegrad 1 da wirklich eine Überlegung wert?

Wer profitiert vom Pflegegrad 1 und was würde eine Streichung bringen?

Wenn man sich damit beschäftigt, den Pflegegrad 1 zu streichen, ist das „Durchdenken“ der Zahlen entscheidend. Der Wegfall von Pflegegrad 1 würde über 860.000 Menschen empfindlich treffen. Und das mitten im demographischen Wandel, der das Land ohnehin fest im Griff hat. Eine Pflegehochrechnung nimmt an, dass im Jahr 2070 etwa 6,9 Millionen Menschen hierzulande pflegebedürftig sein könnten.

Bereits Ende 2023 summierte sich die Anzahl der Pflegebedürftigen auf beinahe 5,7 Millionen, daher sind die Zukunftsaussichten durchaus denkbar. Natürlich steht dem gegenüber ein großer Pflegebedarf und damit auch Pflegekosten. Bereits jetzt ist klar, dass die Pflegeversicherung 2026 mit etwa 2 Milliarden Euro im Minus liegt, trotz eines Bundesdarlehens. Genau an dieser Stelle klingt die Hochrechnung des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung spannend: Durch eine komplette Streichung des Pflegegrads 1 ließen sich insgesamt 1,79 Milliarden sparen.

Doch dieses Einsparpotenzial wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eintreffen. Bei den Rechnungen gingen die Expert:innen nämlich davon aus, dass jeder Mensch mit Pflegegrad 1 den Entlastungsbetrag von 131 Euro und die Summe für Pflegehilfsmittel zum Verbrauch in Höhe von 42 Euro beansprucht. Doch wie der Sozialverband VdK Hessen-Thüringen e.V. bestätigt, machen das viele Pflegebedürftige entweder gar nicht oder nicht im vollen Umfang. Somit könnte der Sparbetrag deutlich unter den Erwartungen zurückbleiben, Pflegebedürftige hätten hingegen ein großes Problem.

Szenario: das würde die Abschaffung von Pflegegrad 1 bedeuten

Wer glaubt, Pflegegrad 1 sei nur eine kleine Zusatzleistung, verkennt die Realität vieler Menschen. Schließlich fängt dieser Pflegegrad diejenigen auf, die sonst durchs Raster fallen würden: ältere Menschen, die zwar noch vieles selbst schaffen, aber ohne kleine Hilfen im Alltag schnell an ihre Grenzen stoßen. Menschen, die allein leben, chronisch krank sind oder erste Anzeichen von Demenz zeigen.

Für sie ist der Pflegegrad 1 keine „Komfortleistung“, sondern ein Stück Sicherheit und Selbstbestimmung. Würde dieser Pflegegrad wegfallen, stünden viele Pflegebedürftige plötzlich mit leeren Händen da: Keine Entlastungsleistungen mehr für eine Haushaltshilfe, keine Unterstützung beim Einkauf, keine Finanzierung für einen Alltagsbegleiter. Angehörige müssten noch mehr auffangen – und das in einer Zeit, in der ohnehin schon viele Familien an der Belastungsgrenze stehen.

Streichung Pflegegrad 1: Das würde wegfallen

Hinter dem Pflegegrad 1 steckt mehr als eine Zahl – er sichert vielen Menschen kleine Hilfen, die im Alltag den Unterschied machen. Diese Unterstützungen würden auf der Kippe stehen:

Entlastungsbetrag (bis zu 131 Euro monatlich)

Für viele Betroffene ist das die wichtigste Unterstützung: Damit können sie Haushaltshilfen, Alltagsbegleitung oder kleine Betreuungsleistungen bezahlen.
Ohne diesen Betrag müssten viele gesundheitlich eingeschränkte Menschen solche Hilfen komplett privat finanzieren oder ganz darauf verzichten.

Wohngruppenzuschlag (bis zu 224 Euro monatlich)

Menschen, die in ambulant betreuten Wohngruppen leben, erhalten diesen Zuschuss zusätzlich.
Würde er für Pflegegrad 1 wegfallen, würde das viele kleinere Wohnprojekte oder gemeinschaftliche Wohnformen finanziell schwächen.

Zuschuss bei stationärer Pflege (131 Euro monatlich)

Auch wer bereits im Pflegeheim lebt, profitiert von einem kleinen Entlastungsbetrag.
Sein Wegfall würde besonders Menschen mit geringem Einkommen treffen, die jede monatliche Entlastung brauchen.

Zuschüsse für barrierefreie Umbauten (bis zu 4.180 Euro pro Maßnahme)

Dieser Zuschuss hilft, Wohnungen sicher und altersgerecht zu gestalten, etwa mit Haltegriffen, Rampen oder bodengleichen Duschen.
Ohne diese Unterstützung würden viele Betroffene in nicht barrierefreien Wohnungen leben.

Digitale Pflegeanwendungen (DiPA)

Zuschüsse für digitale Helfer wie Pflege-Apps oder Kommunikationssysteme sollen Pflege und Organisation erleichtern.
Gerade für alleinlebende Menschen können solche Tools entscheidend sein, um länger selbstbestimmt zu bleiben.

Pflegehilfsmittel zum Verbrauch (bis zu 42 Euro monatlich)

Dazu zählen Dinge wie Einmalhandschuhe, Desinfektionsmittel oder Bettschutzeinlagen – scheinbar Kleinigkeiten, aber im Alltag sind sie unverzichtbar.
Ohne Kostenerstattung müssen Pflegebedürftige diese Ausgaben künftig aus eigener Tasche zahlen.

Die Abschaffung von Pflegegrad 1 beschwört einen Dominoeffekt

Fällt Pflegegrad 1 weg, wären die Folgen nicht nur individuell spürbar. Auch das gesamte Pflegesystem würde ins Wanken geraten: Ohne die kleinen Hilfen am Anfang verschiebt sich die Belastung einfach nach hinten. Wenn Prävention und Entlastung fehlen, steigt das Risiko, dass Menschen schneller höhere Pflegegrade erreichen – mit deutlich höheren Kosten für das System. Was kurzfristig als Einsparung gedacht ist, könnte langfristig teuer werden.

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Pflegegrad 1 ist kein Luxus! Der Pflegegrad 1 symbolisiert mehr als nur eine Zahl in einem System. Er steht für den politischen Willen, frühzeitig zu unterstützen, bevor Menschen vollständig auf Pflege angewiesen sind. Wer diesen Einstieg abschafft, sendet ein fatales Signal: dass Selbstständigkeit, Prävention und Würde offenbar verzichtbar sind.

Fazit: Die Pflegezukunft sollte sicher und nicht beunruhigend sein

Die Pflegeversicherung steht unter Druck, keine Frage. Doch wer an der Basis kürzt, gefährdet das ganze Fundament. Statt über die Abschaffung von Pflegegrad 1 zu sprechen, braucht es endlich eine ehrliche Diskussion darüber, wie Pflegebedürftige entlastet und die Pflegeversicherung zukunftsfest gestaltet werden kann. Sinnvolle Ansätze gibt es: etwa beim Abbau von Bürokratie oder der stärkeren Förderung der Digitalisierung. Pflege darf kein Sparmodell sein – sie ist ein gesellschaftlicher Auftrag und dieser beginnt nicht erst bei Pflegegrad 2.

Häufige Fragen zur Abschaffung von Pflegegrad 1

Warum wird über die Abschaffung von Pflegegrad 1 gesprochen?

Die Bundesregierung lotet aktuell aus, wie die Pflegeversicherung langfristig finanziell stabilisiert werden kann. Dabei steht vieles auf dem Prüfstand – womöglich auch Leistungen im Rahmen von Pflegegrad 1. Offiziell gibt es keinen Fahrplan, aber Begriffe wie „Einsparpotenziale“ und „Neuausrichtung“ lassen viele Pflegebedürftige aufhorchen.

Was würde der Wegfall von Pflegegrad 1 bedeuten?

Rund 860.000 Menschen in Deutschland haben derzeit Pflegegrad 1. Für sie würden wichtige Unterstützungsleistungen entfallen – etwa der monatliche Entlastungsbetrag von 131 Euro, Zuschüsse für barrierefreie Umbauten oder Pflegehilfsmittel. Gerade Menschen mit einem leichten Pflegebedarf wären damit plötzlich ohne Unterstützung.

Gibt es Alternativen oder Ausgleichsmaßnahmen?

Bislang ist nichts Konkretes zu denkbaren Ausgleichmaßnahmen bekannt. Zwar betonen Politiker:innen, dass niemand schlechter gestellt werden solle, doch ohne verbindliche Zusagen bleibt das nur ein Versprechen. Realistisch ist: Wenn der Pflegegrad 1 wirklich wegfällt, müssten viele Betroffene Leistungen privat zahlen oder Angehörige noch stärker einspringen. Noch ist aber nichts beschlossen.

Medizinische und rechtliche Hinweise:

Dieser Artikel dient ausschließlich zu Informationszwecken und ersetzt keinesfalls eine professionelle medizinische Beratung. Die enthaltenen Informationen sind nicht dafür geeignet, eigenständig Diagnosen zu stellen oder Behandlungen zu beginnen bzw. abzubrechen. Bei gesundheitlichen Anliegen und zur Klärung individueller Fragen sollte stets ein qualifizierter Arzt oder eine qualifizierte Ärztin konsultiert werden. Im Falle gesundheitlicher Probleme ist es wichtig, rechtzeitig ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen.

Quellen

Statistisches Bundesamt (Destatis). Pflege; abgerufen am 10.10.2025 von: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/_inhalt.html

Sozialverband VdK Hessen-Thüringen e.V. Pflegegrad 1 abschaffen? Der VdK spricht sich dagegen aus; abgerufen am 10.10.2025 von: https://hessen-thueringen.vdk.de/news/pflegegrad-1-abschaffen-der-vdk-spricht-sich-dagegen-aus/

Statistisches Bundesamt (Destatis). Zahl der Pflegebedürftigen steigt bis 2070 deutlich an; abgerufen am 10.10.2025 von: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Pflege/aktuell-vorausberechnung-pflegebeduerftige.html

Wird Pflegegrad 1 abgeschafft? Szenario zeigt Folgen

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